Wer hilft bei einer ungewollten Schwangerschaft?
30.06.2022
SozialMarie Preis
Eine ungewollte Schwangerschaft kann jede Frau treffen – aber nicht jede dieser Frauen hat die Möglichkeit für einen Schwangerschaftsabbruch. Anna Maria Lampert erzählt über die Hürden einer Frau, die ihre Schwangerschaft enden will und über die Arbeit von CHANGES for Women.
Frau J. ist gerade 30 geworden, sie wohnt mit ihrem Mann in einem kleinen Dorf in der Nähe von Salzburg. Frau J. arbeitet als Verkäuferin in einem Schuhgeschäft, sie hat zwei Kinder. Beide werden von Frau J. jeden Tag in den Kindergarten gebracht und abgeholt. Damit das möglich ist, hat Frau J. ihre Arbeitszeit reduziert. Ihr Mann, Herr J. arbeitet von früh bis spät in einem Restaurant in Salzburg. In den letzten Jahren war er auf Kurzarbeit, da das Restaurant wegen der Pandemie vorübergehend schließen musste. Seit einigen Monaten geht es für Herrn J. endlich wieder bergauf, gemeinsam verdienen sie gerade genug um mit den zwei Kindern über die Runden zu kommen. Sie wollen kein drittes Kind, deswegen hat Frau J. eine Spirale einsetzen lassen. Trotzdem wird Frau J. kurz nach ihrem 30. Geburtstag wieder schwanger. Als ihre Periode aussetzt, ist sie nicht beunruhigt, da eine Schwangerschaft bei der Spirale sehr unwahrscheinlich ist. Im zweiten Monat geht sie zu ihrer Frauenärztin, die die Schwangerschaft feststellt. Frau J. entscheidet sich für eine Abtreibung, denn sie und ihr Mann können ein drittes Kind nur schwer leisten, noch dazu hat sich Frau J. für eine Ausbildung beworben, welche sie (sobald die Kinder in der Schule sind) absolvieren möchte. Sie kontaktiert mehrere Kliniken in Salzburg, allerdings werden in der Nähe nirgendwo Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt. Als sie im Internet nach weiteren Kliniken sucht, erfährt Sie, dass die einzige Möglichkeit, die sie hat, ist, für die Abtreibung nach Wien zu fahren.
Sie weiß nicht, was sie tun soll. Die Kosten der Abtreibung werden von der Krankenkasse nicht übernommen und die 400-500 Euro für den Eingriff hat sie gerade nicht. Außerdem müsste sie für ihre Kinder eine Betreuung organisieren, da ihr Mann im Restaurant keinen Urlaubstag bekommt. Auch die Zugfahrt müsste sie aus eigener Tasche zahlen. Nach weiterer Suche findet sie die Telefonnummer einer Klinik und schildert ihre Lage. Die Mitarbeiterin der Klinik weist Sie auf CHANGES for Women hin. Von der Organisation erfährt sie, dass es in Salzburg doch eine Klinik gäbe, die Abtreibungen durchführt und sie nimmt mit dieser Klinik gleich den Kontakt auf. Doch der Termin für Frau J. scheitert an der Bürokratie. Zwischendurch gerät sie auch unter Zeitdruck: damit sie die Abtreibung straffrei durchführen kann, muss diese innerhalb der ersten drei Monaten erfolgen. Von CHANGES for Women erfährt sie auch, dass Schwangerschaftsabbrüche in Österreich im Strafgesetzbuch geregelt sind, nur in den ersten drei Monaten sind sie „straffrei“. Zu lange darf sie also auf keinen Fall warten und beschließt für den Eingriff nach Wien zu reisen. Ihre Reisekosten und die Kosten des Abbruchs werden von CHANGES for Women übernommen – die Klinik kennt schon die von CHANGES for Women ausgefüllte Bestätigung, welche Frau J. der Ärztin überreicht. Somit kommt die Geschichte von Frau J. zu einem Ende. Sie ist erleichtert, dass sie weiterhin genug Zeit für ihre beiden Kindern haben wird.
Diese Geschichte von Frau J. trifft auf viele Frauen zu – erzählt Anna Maria Lampert, Sozialarbeiterin, Mitglied bei der Organisation CHANGES for Women. Die meisten Frauen, die CHANGES for Women aufsuchen, haben bereits Kinder und sind zwischen 25-40 Jahre alt. Wenn sie nicht in Wien wohnen, haben sie kaum Chancen, eine ungewollte Schwangerschaft kostenfrei zu beenden – dadurch geraten sie in eine finanzielle Notlage und sind oft von anderen Familienmitgliedern, Partnern oder Ex-partnern abhängig. Und das will CHANGES for Women ändern.
Viele Frauen öffnen sich zum ersten Mal über ihre schwierige Lage, wenn Sie bei CHANGES for Women anrufen – und für Anna Maria Lampert ist jedes dieser Telefonate ein Erfolgsmoment. Die Frauen treffen hier auf Verständnis und können so viel über ihre persönliche Geschichte verraten, wie sie es für gut halten, rechtfertigen muss sich bei CHANGES for Women niemand, alle Informationen bleiben anonym. Wie es mit den Frauen weitergeht, wissen die Mitarbeiterinnen der Organisation meistens nicht. Aber oft bekommen sie eine erleichterte Nachricht. Wenn sie lesen, „Danke, ich habe endlich mein Leben zurück“, wissen sie, dass ihre Arbeit dazu beiträgt, dass es nicht Schicksalsschläge, sondern bewusste Entscheidungen sind, die über das Leben der Frauen bestimmen.
Das Projekt CHANGES for Women wurde 2022 mit einem SozialMarie-Preis ausgezeichnet.
Relevante Adressen für ungewollt schwangere Frauen:
ÖGF: oegf.at/verhuetung/schwangerschaftsabbruch
FEMSüd: https://femsued.at/
Weitere Informationen über CHANGES for Women: https://www.changes-for-women.org/#41