§ 207a StGB („Bildliches sexualbezogenes Kindesmissbrauchsmaterial und bildliche sexualbezogene Darstellungen minderjähriger Personen“) wurde 2023 verschärft. Statistiken und die Praxis in der Bewährungshilfe zeigen, dass die Hintergründe vielfältig sind: Zu einem großen Teil handelt es sich nicht um erwachsene pädophile Täter:innen, sondern um Jugendliche, die Bilder anderer Minderjähriger in einem sexualisierten Kontext besitzen oder versenden. Anzeigen aufgrund dieser Delikte haben massiv zugenommen. Zurückzuführen ist das auf die steigende Nutzung von Social Media. Die Taten dieser Jugendlichen bedürfen einer Reaktion, aber eine Verurteilung als Sexualstraftäter:in löst zugrunde liegende Probleme nicht, sondern schafft erhebliche Nachteile in der sozialen und beruflichen Entwicklung.
sicher.net § 207a
Projektträger: NEUSTART - Bewährungshilfe, Konfliktregelung, Soziale Arbeit / NEUSTART - Probation, Conflict Regulation, Social Work
Verantwortliche*r: Jürgen Kaiser

2025
Nominiert
AT
Zivilgesellschaft / Sozialwirtschaft
Bildung
Soziales, Gesundheit
Recht, Gerechtigkeit

Um Staatsanwaltschaften und Gerichten passende Reaktionen für von Jugendlichen begangenen Delikten gem. § 207a StGB zu ermöglichen, wurde das Programm sicher.net § 207a entwickelt. Angestrebt wird eine diversionelle Erledigung (Probezeit mit Bewährungshilfe), damit Jugendliche zwar den negativen Konsequenzen einer Verurteilung als Sexualstraftäter:innen entgehen, eine Auseinandersetzung mit der Tat dennoch erfolgen kann. Jugendliche befassen sich unter professioneller Anleitung im Rahmen der Bewährungshilfe mit der Tat, den Motiven und den Auswirkungen. Ziele sind – Normverdeutlichung; - Erlangen von Medien- und Pornografiekompetenz; - Grenzen respektieren; - Opferempathie entwickeln. Diese Themen werden in Einzel- und Gruppensettings bearbeitet.
Das Programm wird im Rahmen der Bewährungshilfe absolviert. Sozialarbeiter:innen arbeiten österreichweit in 36 Abteilungen mit jeweils einer Abteilungsleitung, die die Fachaufsicht hat. Die Gesamtverantwortung für die Arbeit in der Region hat die jeweilige Leitung der Einrichtung. Auf zentraler Ebene wurde das Projekt im Zentralbereich Sozialarbeit mit einer Arbeitsgruppe entwickelt. Mitglieder dieser Arbeitsgruppe waren der Leiter des Zentralbereichs, Vertreter:innen der Abteilungsleitungen sowie Sozialarbeiter:innen. Nachdem das Konzept entwickelt war, gab es Rückmeldeschleifen und ein Schulungsplan wurde entwickelt. Nach den durchgeführten Schulungen der Sozialarbeiter:innen wurde das Programm implementiert. Zugewiesen werden die Klient:innen durch Gerichte oder Staatsanwaltschaften.
Wird eine jugendliche Person nach einem Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit § 207a StGB in die Bewährungshilfe zugewiesen, so passiert in jedem Fall automatisch eine Bearbeitung der Inhalte des Programms. Vor allem die kritische Reflexion des Pornografiekonsums jugendlicher Personen ist häufig auch bei Betreuungspersonen schambesetzt und wird aus diesem Grund nicht besprochen. Rückmeldungen der betroffenen Jugendlichen zeigen, dass eine offene und respektvolle Thematisierung gut angenommen wird und genutzt werden kann.
Richter:innen und Staatsanwält:innen werden durch das Programm dahingehend sensibilisiert, dass eine Verurteilung von Jugendlichen im Zusammenhang mit § 207a StGB nicht zielführend ist. Vielmehr ist eine diversionelle Erledigung mit Anordnung von Bewährungshilfe und damit einerhgehend eine Absolvierung des Programms “sicher.net § 207a” sekundärpräventiv wirksam. Wir informieren laufend auch via Medienarbeit und Social Media über das Programm, so erreichen wir zusätzlich junge Menschen, Eltern und pädagogisches Personal, die als Multiplikator:innen fungieren können (siehe Anhang).